Vor- und Nachteile der Berufslehre

Veröffentlicht am: 17.05.2021Kategorie: News & Trends

Was spricht dafür eine Lehre zu absolvieren und wann sollte man das Gymnasium vorziehen?

In der Schweiz haben wir das duale Bildungssystem, das heisst, während einer Berufslehre wird an gewissen Tagen in der Woche für die theoretische Ausbildung die Berufsschule besucht, und an den anderen Tagen ist der Lernende im Lehrbetrieb und eignet sich praxisbezogene Fertigkeiten an.

Die Berufslehre kann mit oder ohne Berufsmaturität absolviert werden. Die Berufsmaturität ermöglicht den Lernenden im Anschluss an die Lehre sich an eine Fachhochschule weiterzubilden und sich auf seinem Gebiet zu spezialisieren.

Mischung aus Theorie und Praxis garantiert beruflichen Erfolg

Es gibt vereinzelt Berufsausbildungen, die gänzlich im schulischen Modell absolviert werden können, wie zum Beispiel die Handelsmittelschule HMS oder die Informatikmittelschule IMS. Beim ausschliesslich schulischen Modell muss während der Grundbildung ein Praktikum absolviert werden, um sich auch praktische Fähigkeiten anzueignen.

Der größte Vorteil in der dualen Ausbildung ist die Kombination aus theoretischer Wissensvermittlung und praktischer Anwendung und Erfahrung. Diese Mischung liefert die bestmögliche Vorbereitung auf die Ausübung des späteren Berufs.

Jugendliche werden durch eine Berufslehre früh und nachhaltig ins Wirtschaftssystem integriert, sodass wir in der Schweiz kaum Jugendarbeitslosigkeit haben. Ausserdem sind Praktiker und Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt sehr gesucht, weil sie vom ersten Tag an mitanpacken könne.

Berufslehre wird oft minder gewertet als der akademische Weg

Die duale Berufsbildung, bei der schulische und betriebliche Ausbildung ineinandergreifen, ist in dieser Form einzigartig und gilt als Erfolgsmodell.

Die Schweiz stand lange Zeit in der Kritik zu wenig Akademiker auszubilden. Auch bei vielen Eltern hat die Berufslehre zum Teil einen negativen Stand, das heisst, dass sie sich für ihre Sprösslinge eher den gymnasialen Weg wünschen. Einige glauben, dass jemand mit einer Berufslehre einen tieferen Sozialstatus geniessen würde. Dabei ist vielen nicht bewusst, dass man über eine Berufslehre mit Berufsmatur oder mit dem Passerellen-Modell zu einem gleichwertigen Hochschulabschluss gelangen kann und dabei erst noch einiges an Praxiserfahrung mitnimmt.

Allerdings muss sich die Berufslehre weiterentwickeln. Viele Betriebe beklagen zunehmend, dass sie nicht mehr genügend gute Lernende finden würden, dies besonders in Berufen mit hohen Anforderungen. Es gibt vier Hauptgründe, weshalb sich die Berufslehre langsam vom Erfolgsmodell zum Auslaufmodell wandelt:

  1. Strukturwandel: Es findet eine Verschiebung vom industriellen zum Dienstleistungssektor statt, jedoch gibt es prozentual immer noch viel mehr Lehrstellen in Industrie und Gewerbe und es fehlen Lehrstellen im Dienstleistungsbereich. Viele Arbeitsschritte die früher Handarbeit waren, werden heute von Maschinen ausgeführt und wieder andere Berufsfelder werden zunehmend technologisiert. Da ist es fraglich, ob eine Berufslehre noch ausreicht, um das immer komplexere Wissen zu vermitteln, dass dort gefragt ist.
  1. Akademisierung: Die Schweiz importiert seit Jahren akademische Fachkräfte. Trotzdem sind aber nicht mehr Schweizer arbeitslos. Das bedeutet, dass der Pool an Akademikern in der Schweiz einfach zu klein ist und die Nachfrage nicht aus den eigenen Reihen abgedeckt werden kann. Für einige Verantwortliche im Bereich Berufsbildung ist Durchlässigkeit das Zauberwort - vom Lehrling bis zum eidgenössisch diplomierten Fachmann. Eine Lehre muss Perspektiven und Karriereaussichten bieten.
  1. Globalisierung: Abschlüsse wie «eidgenössischer Fachausweis» klingen nicht sehr vielsagend, sind wenig aussagekräftig und im Ausland meist gänzlich unbekannt. Die wenigsten Länder kennen eine duale Berufslehre mit kombinierter schulischer und betrieblicher Ausbildung, erst recht nicht die höhere Berufsbildung, die auf der gleichen Stufe wie ein Hochschulabschluss steht. Gefordert werden deshalb neue Berufsbezeichnungen wie etwa «Professional Bachelor». Grundsätzlich werden Fähigkeiten im Umgang mit verschiedenen Kulturen im Arbeitsmarkt immer wichtiger. Deshalb ist es fundamental, dass Fremdsprachen in Berufslehren genug Wert beigemessen wird. Ausserdem müssen auch Migranten vermehrt in das Berufsbildungsangebot integriert werden.
  1. Diskriminierung: Jemand der einen ausländisch klingenden Namen hat, hat es ungleich schwerer bei der Lehrstellensuche, obwohl er oder sie vielleicht die gleich guten schulischen Leistungen vorweisen kann, wie ein Schulabgänger / Schulabgängerin mit Schweizer Pass. Fast ein Viertel der in der Schweiz lebenden Jugendlichen sind Ausländer, Secondos nicht mitgerechnet. Die Berufsbildung ist massgeblich dafür verantwortlich, ob Jugendliche ihren Platz in der Gesellschaft finden oder nicht. Grössere Betriebe rekrutieren generell professioneller und standardisierter und geben auch Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Chance. Vorhandene Talente bleiben oft unerkannt, weil zu sehr auf Schulnoten, Nachnamen oder andere Merkmale geachtet wird. Das muss sich ändern. Praktische Begabung sowie Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Begeisterungsfähigkeit sind oftmals mehr Wert als ein makelloses Schulzeugnis.

Fazit: Wenn es gelingt, die Berufslehre zu reformieren und dem Wandel der Zeit anzupassen, mit mehr schulischen Inputs, Chancengleichheit für alle, Anpassung an europäische Berufsbezeichnungsnormen und durchlässigeren Aufstiegsmöglichkeiten für bewährte Berufsleute – dann wird die Berufslehre ein Erfolgsgarant bleiben.

Von EFZ, FP und HF: Das Schweizer System im Überblick

Mit der drei- oder vierjährigen Berufslehre erlangen Jugendliche das eidgenössische Fähigkeitszeugnis (EFZ). Mit diesem können sie die eidgenössische Berufsprüfung (BP) oder die eidgenössische höhere Fachprüfung (FP) ablegen und mit einem eidgenössischen Fachausweis beziehungsweise mit einem eidgenössischen Diplom abschliessen. Das nötige Wissen wird meist in Vorkursen vermittelt.

Insgesamt gibt es über 400 anerkannte Abschlüsse. Mit dem EFZ können Berufsleute auch in 52 Bildungsgängen an einer höheren Fachschule meist im Vollzeitstudium ein Diplom HF erwerben. BP, FP und HF gelten als tertiäre Ausbildung gleichwertig mit einem Uni- oder Fachhochschulstudium.

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Quelle: https://www.beobachter.ch/bildung/lehre-studium/berufsbildung-was-taugt-die-lehre

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