Abfindungsvertrag verhandeln: Vorteile für Mitarbeitende und Unternehmen

Veröffentlicht am: 16.08.2023Kategorie: Allgemein

Hire and fire? Bei aller Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt: So einfach geht das hierzulande nicht. Schon gar nicht erst, wenn ein Arbeitnehmer, eine Arbeitnehmerin gute Konditionen hat, was die Abfindung bei einer allfälligen Entlassung betrifft. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Abfindungsverträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen aussehen und wie beide Seiten von solchen Verträgen profitieren können.

Das Schweizer Arbeitsrecht ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern viel flexibler, wenn es um das Entlassen von einzelnen Mitarbeitenden geht. Die rechtlichen Kündigungsfristen gelten sowohl für Arbeitnehmende als auch für Arbeitgeber. Unternehmen sind nicht dazu verpflichtet, pro Dienstjahr (mindestens) ein Monatsgehalt auszuzahlen, wie es in bestimmten Ländern – je nach Entlassungsgrund – der Fall ist. Es sei denn, die entlassene Person ist älter als fünfzig Jahre alt und war länger als zwanzig Jahre im Betrieb tätig. In anderen Ländern ist es also ziemlich teuer, Mitarbeitende zu entlassen, die etwa zehn Jahre oder länger im Dienst des Unternehmens sind. In der Schweiz dagegen gilt ab zehn Dienstjahren eine gesetzliche (Mindest-)Kündigungsfrist von drei Monaten. Daher ist es hierzulande wesentlich einfacher, langjährige Mitarbeitende zu entlassen.

Die strengen Voraussetzungen erklären unter anderem, warum in anderen Ländern temporäre Arbeitsverträge üblicher sind als in der Schweiz. Da in der Schweiz auch fest angestellte Mitarbeitende ohne allzu grosse (Kosten-)Aufwände und Begründungen entlassen werden können und die Kündigungsfrist etwa während der Probezeit nur eine Woche beträgt, wird Kandidat:innen in der Schweiz relativ schnell ein unbefristeter Vertrag angeboten. Es gibt selbstverständlich viele weitere Gründe, aber diese Flexibilität ist auch ein Grund für die niedrige Arbeitslosigkeit in der Schweiz (sie bewegt sich im tiefen einstelligen Prozentbereich).

Unternehmen können diese Flexibilität aber auch zu ihrem Vorteil nutzen, indem sie bessere Abfindungsbedingungen bieten als die Konkurrenz: Entweder sie verlängern die Kündigungsfristen oder sie bieten Mitarbeiter:innen bei (einzelnen) Entlassungen ein oder mehrere Monatsgehälter als Abfindungssumme. Die Kosten, einen Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin mit einem solchen Paket zu entlassen, sind selbstverständlich höher als die Entlassungskosten bei Mitarbeitenden ohne Abfindungsvertrag. Das Vorgehen kann aber einen durchaus positiven Einfluss auf den Ruf des Unternehmens haben, dies sowohl intern als auch extern. Dazu kann sich ein Unternehmen im «War for Talents» mit solchen Massnahmen von anderen abheben und gut qualifizierte Kandidat:innen, denen mehrere Stellenangebote vorliegen, an sich binden.

Es ist jedoch nicht empfehlenswert, mit solchen Abfindungssummen ohne Konditionen um sich zu werfen. Am besten erfolgen Vereinbarungen über Abfindungsgelder, die auf bestimmten Fristen basieren oder deren Anspruch sich erst nach beispielsweise einem oder zwei Dienstjahren geltend machen lässt und die nur unter gewissen Bedingungen ausbezahlt werden. Mitarbeitende, die entlassen werden, da sie besonders schlechte Leistungen erbringen oder gegen Regeln oder sogar Gesetze verstossen, sollen natürlich nicht belohnt werden. Es empfiehlt sich, alles gut schriftlich festzuhalten und allenfalls mit Anwält:innen zu prüfen.

Solche Vereinbarungen bei Neueinstellungen anzubieten und bei bestehenden Mitarbeitenden nachträglich einzuführen, kann sich auch durchaus positiv auf die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter:innen auswirken. Zudem fühlen sich Mitarbeitende bei Entlassungen, für die sie wenig oder nichts können – etwa wegen Kosteneinsparungen, einer Verlegung des Geschäftssitzes oder der Übernahme der Firma – besser geschützt und nicht im Stich gelassen. So ergeben sich also auch für Mitarbeiter:innen klare Vorteile.

Kandidat:innen, denen mehrere Angebote vorliegen oder die im Allgemeinen aus einer komfortablen Position die Stelle wechseln, können auch selbst während der Gehaltsverhandlungen solche Vereinbarungen vorschlagen. Es empfiehlt sich jedoch, vor allem bei der Kündigungsfrist nicht zu viel herauszuschlagen, auch wenn der neue Arbeitgeber dazu bereit wäre, auf die Wünsche einzugehen. Sollte eine Person mit einer überdurchschnittlich hohen Kündigungsfrist nämlich selbst wieder auf Jobsuche gehen, würde für sie die Frist zum Nachteil werden, wenn ein potenzieller Arbeitgeber nicht so lange warten kann oder möchte. Eine Kündigungsfrist von beispielsweise sechs Monaten zu verhandeln für eine Position, in der drei Monate üblich wären, könnte also bei einer späteren Arbeitssuche zum Verhängnis werden. Besser ist es, sich für eine Entschädigung einzusetzen.

Bitte beachten Sie, dass es in diesem Beitrag um Entlassungen geht, die nicht als Massenentlassungen gelten.

 

Autor: Lucas Diederen, Managing Partner bei talentzip / Überarbeitung: Marianne Müller

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